Ohne Schularbeiten zu erwägen, indes Mädchen den Lehrern oft gefallen wollen, treffen wir Jungen uns auf den Bolzplätzen.
Was haben wir doch für einen geilen Bolzplatz vor Ort! Grant, extra hohe Umzäunung-das Paradies! Im Park dagegen schimmeln Tore auf einer unebenen Wiese unnütz und ungenutzt.
Auch diese Knaben kenne ich nicht, trotzdem frage ich, wie oft: „Kann ich mitspielen?“ Ich darf. Ich darf nahezu immer mitspielen, als gebe es einen ewigen Mitspiel-Codex. Einer zeigt auf eines der Tore und sagt zu mir: „Du spielst auf der Seite.“ Als ich den Ball erstmals bekomme, prüfe ich diesen; ich stelle fest, dass er zum Glück kein Ei ist. In der Ferne sehe ich einen Jungen, der einen Tango hat, den ich nie besaß -um die hundert D-Mark-, der aber allein seinen Luxus-Ball freudig bestaunt und dabei immer wieder auf den Boden prellt.
Als die ersten Torschussversuche stattfinden und scheitern, rufe ich: „Blindfisch!“ und „Krumme Beine?“
Einem jüngeren Spieler teile ich den Ball zu und fordere ihn auf: „Nun zeig mal!“ und dann: „Fast!“
Der so ziemlich am wenigsten kann, hastet übereifrig, hektisch; als er foult, rufe ich mit heller Stimme: „Stümper!“; das Spiel, alle Spiele sind von großer Fairness bestimmt.
Wieder schießt einer grob lächerlich daneben und ich kommentiere lauthals: „Um Gottes Willen, welche Schande!“
Als ein bunt und fein gekleidetes Mädchen vorbei eilt, krakelt einer: „Was läufst du? Bist du läufig?“ „Bei uns auf der Schule ist eine Neue, die sieht richtig scharf aus!“, sage ich dem, der gerade neben mir steht.
Es ist so heiß, dass der Boden von der Sonne flimmert.
Einer schießt mit der Pike und bekommt von einem anderen sofort den abwertenden Kommentar zu dieser primitiven Schusstechnik.
Plötzlich liegt einer mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden; ein anderer eilt herbei und fragt: „Welche Seite?“, hebt dann das genannte Bein und drückt die Fußspitze samt Zehen in Richtung des Körpers.“ Derweil können wir die Sträucher wässern.
Etwas später köpft der mit den Krämpfen den Ball, indem er seine Stirn dem Ball blitzschnell entgegen stößt, als könnte und wollte er den Ball mit seiner Stirn verschlucken. Nun wundert es mich nicht, dass er einen Krampf hatte-Krämpfe haben nur die guten.
Einige verfügen über Spezialbegabungen, der eine fummelt gut, der nächste hat einen harten, geraden Schuss, einige sind schnell, ausdauernd oder haben blitzschnelle Reflexe. Viele der Vereinsspieler können nicht einmal einen Ball stoppen. Fußballtrainer können die Fähigkeiten der Spieler oft nicht lesen; und deren Training fehlt immer der Feinmotorik-Anteil.
Der gute Fußballspieler -der mit dem Krampf- kann Bälle in verschiedenen Position in der Luft direkt nehmen! Er ist der Einzige von uns, der ein Polo-Shirt trägt. Ich habe ihn beobachtet, wie er anfangs seine eigene Übung, extrem kräftigende Sprünge, absolvierte. Wenn wir aufeinander treffen, bin ich hochkonzentriert, ich messe mich mit ihm.
Außerhalb des Fußballes sagte einmal jemand, ich sei ein Grobmotoriker; ein Mädchen meinte, ich spiele wie Watte.
Wir spielen bis uns die Dunkelheit zwingt, aufzuhören.
Einer geht mit mir in meine Richtung. Er schaut an sich herunter, er sagt: „Ich weiß nicht, wann die letzte Tetanusimpfung war.“ Wegen des Grantbelages hat er sich an der Seite des Oberschenkels eine fünf Zentimeter breite und dreißig Zentimeter lange Schürfwunde zugezogen-feuerrot und glänzend.
„Wie heißt denn die Süße?“, fragt er mich.
„Sie ist nicht süß, ich mag lieber scharf. Ich weiß nicht wie sie heißt, bestimmt Penelope Pumpernickel.“
Als wir in verschiedene Richtungen müssen, verabschieden wir uns.
Die technisch brillanten Fußballer sind immer Feinmotoriker; es hat etwas mit Tanzen zu tun.
(4.8.2018)