Meine Deutschlehrerin hatte ein anderes Kunstverständnis als ich. Wir lasen vorwiegend Dramen, weil Sie gerne ins Theater ging, wurden auch wir fast zu Theatergängern, was ein ehrenhafter Versuch ihrerseits war. Ich lese gerne Hesse, Steinbeck und einige andere. Heute schreibe ich selber, finde aber keine Anhänger meiner Kunst. Geformt hat Sie gute Bürger, fleißige und strebsame, nicht viel grübelnde Bürger, die allesamt keine Vorstellung von Kunst entwickelt haben; die ihre Abendgaderobe bei einem Sektgläschen vorführen und diesen Vorgang im Abendlicht der Stadt für Kunstgenuss und Kultur halten. Was bei der Deutschlehrerin vorkam, was im Deutschunterricht passierte, hatte wenig mit dem Schreiben zu tun, das ich heute betreibe, was die Leute nicht lesen. Mein Vorschlag lautet deshalb: keine Dichtung mehr im Deutsch-Unterricht! Eigentlich sollte man die Literatur und ihre Produktion bewahren: es gäbe keinen Bereich, in dem ich und andere ihre Stimmen noch erheben könnten, es gäbe keine Alternative zu den Medien mehr.
(12.2020)