Herrn Sawitzky habe ich vor 30 Jahren am Gymnasium kennengelernt, wo er uns in Erdkunde unterrichtete.Er ist mein Lieblingslehrer gewesen.
Er trug einen Anzug, wie ihn ein englischer Edelmann früher trug. Wie ich noch ausführen werde, ist er unzweifelhaft der kultivierteste Lehrer gewesen, der mir begegnet ist, nicht nur äußerlich, aber schon äusserlich. Zur Kultiviertheit reicht das bloße Studium nicht aus; bei Lehrern hat man es mit Akademikern zu tun, selten mit Bildungsbürgern. Gleichwohl hatte er eben nicht diesen sonst oft bei Lehrern vorzufindenen Habitus des Überlegenen, im Gegenteil, er war der einzige Lehrer, der uns von sich erzählte…er gab uns sogar während des Unterrichtes fürsorgliche Ratschläge außerhalb schulischer Themen…ich erinnere mich genau an viele seiner Äußerungen…
2012 fand ich seinen Namen wieder…und konnte den Kontakt zu ihm -mittels eines Briefes- herstellen.
Seitdem habe ich seine Privatgalerie besucht, ich habe Künstler kennengelernt (und eine bei bildenden Künstlern oft vorhandene Unzulänglichkeit, derer sie sich nicht bewußt sind), ich konnte außerdem Kenntnisse über Bilder sammeln und ich erhielt Einsichten in den Kunstmarkt.
Wenn wir über den Flohmarkt gegangen sind, ist es für ihn, wie er einmal sagte: „..wie Lotterie. Man weiß nie, was man findet.“ Nach den Flohmarktbummel haben wir uns über Weltpolitik unterhalten, manchmal über die flüchtigere Tagespolitik, über den Zeitgeist amüsiert, über das Leben gesprochen, Philosophie, Geschichte und Literatur, anschliessend haben wir die Fundstücke unserer Lektüren, die man zur Zeit las, getauscht. Machmal haben wir geschwiegen. Das umfänglichste, bildendste und schillerndste Fundstück, das ich von ihm empfangen durfte, ist mit dem Namen Oswald Spengler verbunden.
Herrn Sawitzkys Reaktionen zu meinen Texten: Er hat nie Mängel aufgezeigt oder Verbesserungsmöglichkeiten. Meinen ersten Text, „Der Finne“, beurteilte er kritisch: „Nur was irgendwann einmal irgendwer gesagt hat“, später positiver, die Sprache erinnere ihn an Lyrik. Ein größeres Maß an Wohlwollen habe ich erfahren, freilich ohne dass er es mir je sagte, als ich „Elfenbein“ vorzeigte.
Danach hat er sich mit mir auch über seine eigenen Schreibprojekte ausgetauscht.
Ende 2017 haben wir die Webseite „Kulturgruppe Plewisast“ ins Leben gerufen.
Der Bildung seiner Mutter und der Kultur seiner Herkunft ist er im außerordentlichen Maße verpflichtet. Logischerweise verfolgt er gesellschaftliche Entwicklungen. Politiker, auch wenn diese nicht seine vertretene Position teilen, kann er als Intellektuelle bezeichnen, aber Politker, die nur gerissen sind, hat er stets scharf verurteilt. Er ist sowohl konservativ wie auch sozial, in jedem Falle tolerant. Er kann vieles nachvollziehen, nur keine unnötige Gewalt. Er ist empfindsam, mitfühlend und zugleich hart, mir gegenüber (ich brauche und möchte es nicht anders) hart und pragmatisch; seine Sprache ist dabei klar wie Wasser-
Auf meine Frage zu einem meiner Textversuche, ob ich dies so schreiben dürfe, antwortete er: „Sie dürfen alles schreiben, sie dürfen dann aber nicht feige sein und müssen sich den Fragen stellen.“
Er steht über den Dingen, weil er hochkomplex ist… und gespalten…und dies im Gegensatz zu den anderen Menschen weiss…“Der Mensch ist gespalten“, vernahm ich von ihm, als ich noch die Schulbank drückte.
Eine wahre Autorität ist jemand für mich nicht, weil das System es mir vorschreibt; er war und ist die von mir selbst gewählte Autorität, die ich anhöre.