Was ist der Dawesplan, was besagt er?
Werner Beumelburg, Deutschland in Ketten, Oldenburg 1931.
Vor einem halben Jahrzehnt lag Europa in Zuckungen, ein Knäuel ineinander verbissener Nationen. Rings umstellt, bis auf den Tod gepeinigt und verwundet, kämpften die Mittelmächte um das Letzte. Die halbe Welt reichte nicht aus, das deutsche Reich zu Boden zu zwingen und seinen Platz auszulöschen…Da hielt der Schiedsrichter die Zeit für gekommen. Die USA schickten ihre Truppen und Kanonen. Imperialismus der Politik und Imperialismus des Geschäfts reichten sich die Hände zur letzten Anstrengung. Sie entschieden den Weltkrieg gegen Deutschland. Versailles war das Ergebnis.
Der Schiedsrichter fuhr zurück über den Ozean…Er hinterließ ein furchtbar zugerichtetes Europa, und er hinterließ den Siegermächten einen Freibrief, mit den Besiegten nach Gutdünken zu verfahren…Dort saß er (die USA) jenseits des großen Ozeans und wartete. Und dann kam endlich seine große Stunde,…Dieses Mal kam der Schiedsrichter nicht mit Soldaten und Kanonen und Schiffen. Die Zeit hatte sich gründlich gewandelt…er sandte schlichte Kaufleute…er sandte ganz unscheinbare Zivilisten…Wenn man aber genau zusah, so erkannte man hinter den Zivilisten dennoch Soldaten…Das waren Milliarden von Dollars, die den Wink dieser bescheidenen und anspruchslosen Zivilisten gehorchten. Der Generalstab dieser unheimlichen Armee saß in den Wolkenkratzern der New York City, und die Regierung in Washington war nur eine Befehlsübermittlungsstelle…(S248 ff)
Am 30.11.1923 fasst die Reparationskommission in Paris einstimmig den Beschluss, zwei Sachverständigenaussschüsse zu bilden, deren erste Aufgabe sein soll, die deutsche Währung und den Staatshaushalt zu untersuchen…Den Vorsitz des ersten Ausschusses übernimmt der frühere amerikanische General Dawes…(S251)
Nach einem Vierteljahr ist alles fertig. Da steht er, der Dawesplan…es ist der 9.April 1924…
Der Dawsplan besagt:
1. Deutschland,…,ist moralisch verpflichtet …zu zahlen.
2. Deutschlands Wirtschaft ist zahlungsfähig…
3. Deutschland, das Land enormer Arbeitskraft…
4. Deutschlands innere Staatsschuld ist durch die Inflation so gut wie beseitigt…
5. Deutschlands fiskalische und wirtschaftliche Einheit muss wieder hergestellt werden.
6. Die deutschen Reparationszahlungen rangieren vor den inneren fiskalischen Bedürfnissen des Reiches .
7. Die Alliierten haben das Recht, am Wachsen des deutschen Wohlstandes durch automatische Erhöhung der Zahlungen teilzunehmen…
8. Die Jahresraten – deutschen – müssen alle Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag einschließen, auch die Besatzungskosten.
9. Die deutschen Zahlungen müssen unter Transferschutz stehen, das verlangen die Interessen der Geldgeber (USA).
Weder die Dauer der Jahreszahlungen noch die Gesamtheit der deutschen Verpflichtungen wird festgestellt.
Die deutsche Währung muss durch eine Auslandsanleihe von 800 Millionen Goldmark stabilisiert werden. Die Anleihe wird von den USA gegeben. Die deutschen Zahlungen müssen durch Garantien sichergestellt sein: Industrie, Eisenbahn und ein Teil der Reichseinnahmen müssen haften und werden kontrolliert. (S255 ff)
Schluss mit der deutschen Souveränität wohl?
Die Zustimmung der Gegner Deutschlands ist sicher, bis auf Frankreich. Er kommt von der Seite jenes fürchterlichen Imperialismus, der durchaus nicht geneigt ist, nun einfach vor dem stärkeren Imperialismus des amerikanisches Dollars zu kapitulieren…
Vier Jahre dauerte der Kampf, ein Ringen ohnegleichen, messbar nur an Ziffern von Arbeitslosigkeit, Konkursen, Absatzkrisen, Streiks, Stilllegungen, Lohnabbau, Preisstürzen, Börsenzusammenbrüchen. Er (der Kampf) währte vom Dawesplan bis zum Youngplan.
Mit einem sonderbaren Rausch strebt (1928) alles jetzt dem Ziele zu, von dem man die Rettung erwartet, denn der Dawesplan konnte nicht eingehalten werden. „Frankreich-Poincare-“ wird alles tun, um die Gesamtlösung herbeizuführen…, er vergisst auch das Drohen nicht. „Wenn keine neue Lösung zustande kommt, die uns befriediegt, so werden wir uns strikt an den Dawesplan halten. Wir werden auf keine unserer Garantien verzichten,…“ (S.394)
Der Sachverständigen Ausschuss konstituiert sich am 9.2.1929 in Paris und wählt zu seinem Vorsitzenden Owen Young. Mit der ganzen Autorität, die ihm die amerikanische Hochfinanz verliehen, macht er einen Vermittlungsvorschlag, der nichts anderes bedeutet als ein Diktat.
Young teilt die Zahlungen in zwei Kategorien:
a. die sogenannten Reparationen,
b. Zahlungen, die als Deckung der Schulden dienen, die von den Alliierten an Amerika zurückgezahlt werden müssen.
Vorschlag Young:
1. Deutschland zahlt 37 Jahre eine durchschnittliche Jahresrate von 2050 Millionen (reine Reparationen),
2.Vom 38. Jahr an wir Deutschland nur noch so viel zahlen,wie die Schuldenzahlungen der Aliierten an Amerika von diesem Zeitpunkt an noch betragen werden, d.h.im 38. Jahr 1700 Millionen Mark, die letzte Rate im Jahre 1988 sinkt auf 897 Millionen. Am 29.5.1929 ist der Young-Plan perfekt, am 30.8.1929 wird der Plan unterzeichnet und den Regierungen zur Diskussion gestellt -.
Die politische Diskussion in Deutschland spitzt sich zu, die Rechte sammelt sich zu einem Volksbegehren gegen die Annahme des Young-Planes…sie verlangen Widerruf der Kriegsschuldlüge und Ablehnung aller neuen Lasten…Die Regierungsparteien wenden sich heftig gegen das Volksbegehren…Der Reichspräsident wird in den Kampf hineingezogen. Unterdessen treiben die Finanzen des deutschen Reiches immer rascher dem Abgrund zu. Die Weltwirtschaftskrise hat Deutschland mit ganzer Macht erfasst…Ein Winter (1929/1930) voller Schrecken steht bevor. Überall verschärft sich die Weltwirtschaftskrise…am 20.1.1930 werden die Schlussprotokolle und das ganze Vertragswerk unterzeichnet…am 12.3.1930 nimmt der Reichstag den Young-Plan an.
Ein Jahrzehnt spannt seinen gewaltigen Bogen zur Erde, das erste Jahrzehnt nach dem furchtbarsten aller Kriege,…Es ist das Jahrzehnt der bitteren Erkenntnisse…
Wir haben zu büssen…Wir büssen für den jämmerlichen Missbrauch, mit dem wir das gleiche Recht für alle in ein Chaos ohne Ziel und Sinn verwandelt haben.
Wir klagen an…Wir klagen an diejenigen, die uns daheim mit einem Chaos empfingen…Wir klagen an…Wir klagen an diejenigen, die den nationalen Widerstand als Landesverrat verschrien…Wir klagen sie an, weil sie dem Gegner mehr vertrauten…als unserem Glauben an Deutschlands Zukunft.
Wir klagen unsere Gegner an, weil sie uns mit Lügen nieder zwangen und weil sie im Augenblick des Sieges mit ihrer Gewalt einen gewaltigen Missbrauch trieben…(S.435)