Klarstellung

Dem Historiker geht es um die Erforschung und Beschreibung von mehr oder weniger komplexen Vorgängen in der Vergangenheit. Er steht zunächst immer vor der Frage, ob eine Quelle echt ist und wenn das der Fall ist, was sie aussagt. Denn auch eine echte Quelle kann Halbwahrheiten oder gar Falsches aussagen. Das quellenkritische Vorgehen gehört zu den elementarsten Anforderungen an ihm als Wissenschaftler.
Dieses wird jedoch für die 31 jährige Geschichte Deutschlands über die beiden Weltkriege hinweg nach wie vor Grenzen gesetzt, denn die Bundesregierung Deutschlands hat gleichzeitig mit der Ostzonen- oder DDR- Vereinigung und der Wiedererlangung von Teilen der Souveränität am 3.10.1990 die praktische Weitergeltung der zentralen Bestimmungen des Überleitungsvertrages vom 26.5.1952 zugesichert, der sie zur Wahrung der Unantastbarkeit aller Rechtssetzungen, Urteilsfindungen und Verwaltungsakte der Besatzungsmächte, also auch der Kritik des IMT Nürnberg verpflichtet.
Tatsache ist, dass es nach 1945 keine Bundesregierung je unternahm, die totalen Alleinschuldzuweisungen an beiden Weltkriegen objektiv zu prüfen.
„Bestürzt über die immer häufigeren politischen Eingriffe bei der Beurteilung geschichtlicher Ereignisse und betroffen über die Gerichtsverfahren gegen Historiker, Forscher und Verfasser, wollen wir (frz. Historiker) an die folgenden Grundsätze erinnern,“ dies ist ein Aufruf von 19 französischen Historikern mit dem Titel „Freiheit für die Geschichtswissenschaft“, der 5 Grundsätze herausstellt:

– Die Geschichtswissenschaft ist keine Religion. Der Historiker akzeptiert kein Dogma, er respektiert keine Verbote, er kennt keine Tabus, er erklärt.
– Die Geschichtswissenschaft ist keine moralische Instanz. Es ist nicht die Aufgabe eines Historikers zu preisen oder zu verdammen, er erklärt.
– Der Geschichtswissenschaftler ist nicht Sklave des Zeitgeistes. Der Historiker überlagert nicht die Vergangenheit mit den heutigen ideologischen Begriffen und fügt keine jetzigen Empfindsamkeiten in die Ereignisse der Vergangenheit ein.
– Die Geschichtswissenschaft kann nicht die Aufgabe des Gedenkens wahrnehmen. Der Historiker sammelt bei einer wissenschaftlichen Arbeit die Erinnerungen von Menschen, er vergleicht sie miteinander und stellt sie den Dokumenten , den Gegenständen und ihren Spuren gegenüber und stellt die Tatsachen fest. Die Geschichte berücksichtigt Erinnerungen aber sie beschränkt sich nicht darauf.
– Die Geschichtswissenschaft kann nicht Objekt der Justiz sein. In einem freien Staat steht es weder dem Parlament noch der Justiz zu, die historische Wahrheit festzulegen…Wir verlangen die Abschaffung dieser gesetzlichen Bestimmung, die eines demokratischen Regimes unwürdig ist.

Diesen Forderungen und Aussagen der französischen Historiker kann ich nur zustimmen.

HH-2020
H.Sawitzky