„Ohne Anschauung sind unsere Ideen leer, ohne Ideen sind Anschauungen blind“.
IMMANUEL KANT
Jeder Mensch hat mit Ihnen zu tun, sieht sie während seines Lebens, nur beobachtet der Mensch die Alltäglichkeiten seiner Umwelt nicht, erkennt nicht ihre Schönheit, ihre Farbigkeit: derabgrenzende Stacheldraht, das Innenleben des modernen Radios, die Zeltplane mit ihren metallischen Löchern und durchscheuerten Schnüren, die vom Wetter zersetzte Dose am Stadtrand und Teilansichten vom Motor eines Wagens und nicht zu vergessen die eigenen Hände – nicht die betenden von Dürer – seine, knorrig, faserhaft und grob dargestellten Hände mit Schwielen und Abschürfungen, so wie die Wirklichkeit wirklich ist, – die alltäglichen Dinge, welche klein, unscheinbar uns begegnen, aber von uns nicht wahrgenommen werden. Da muss schon ein Künstler kommen, der uns die Dinge durch seine Sichtweise bewusst macht, sie in Bilder fasst: GEORG TRIBOWSKI der Künstler mit der Lupe, der das Kleine, das Winzige ins Überdimensionale vergrößert und es uns überwiegend als Tafelbild, wie ein durch das Mikroskop vergrösserte Ausschnitt aus einer Gesamtheit darbietet: farbig-heiter, grell-drohend, dunkel-maahnend.
GEORG TRIBOWSKI, geboren 1935 in Gdingen/Westpreußen, damals noch polnischer Korridor und zu Polen gehörend, ist kaschubischer Abstammung, erlebte die Wiedereingliederung seiner Heimat ins Deutsche Reich, den Zweiten Weltkrieg, die Flucht der Deutschen 1944/45 und die anschließende Vertreibung der restlichen deutschen Bevölkerung nach Ende des Krieges durch die polnische Regierung: es wurde Nacht über Gdingen.
Er und seine Familie blieben in der Heimat, die nun wieder zu Polen gehörte, besuchte dort die Schule bis die Familie Tribowski 1947 nach Stettin umsiedelte. In Stettin besuchte Tribowski von 1951-1956 die dortige Kunsstschule, danach nahmer das Studium der bildenden Kunst bei Professor Kustalski auf, mit den Schwerpunkten Kunstgeschichte und Malerei von1957-1959 ebenfalls in Stettin, Diese intensive Ausbildung ermöglichte TRIBOWSKI, sich als freischaffender Künstler in Stettin niederzulassen, und öffentliche Aufträge sicherten seinen Lebensunterhalt, 1964 kam TRIBOWSKI als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland, seine neue Heimat wurde Hamburg, wo er als freischaffender Künstler bis zu seinem Tode am 22. März 2002 wirkte.
Im künstlerischen Schaffen TRIBOWSKIS kann man die Stilepochen des 20. Jahrhunderts wieder erkennen und die, die ihn beeinflussten: besonders der Konstruktivismus und die darauf aufbauende junge polnische Nachkriegsgraphikgeneration, die so ganz anders war, als in den anderen sozialistischen Staaten – modern, zeitgemäß, auch der westdeutschen Kunstszene vorauseilend. Dieses alles verarbeitete und verinnerlichte TRIBOWSKI und brachte dieses Geistes- und Ideengut mit in den Westen und war damit hier seiner Zeit voraus, was leider für eine Würdigung seiner Arbeit damals ein Nachteil, für seine Kunst und sein Schaffen aus der heutigen Sicht ein Vorteil war.
Sein Stil ist im Kern konstruktivistisch – abstrakt, neue Arten räumlicher Bezüge suchend, neue Formen, neue visuelle Gesetze entdeckend – und daraaus wird seine eigene Handschrift, das Kleine, Minimale vergrößert darstellend, um dem Betrachter Augen, Geist und Gefühle zu schärfen.
GEORG TRIBOWSKI war ein stiller Vertreter seiner Zunft, eher wortkarg, wenn er sich äußerte, dann mal ironisch, mal sarkastisch, mal verschmitzt, aber immer liebenswürdig, nie verletzend. Er war nicht aufdringlich mit seiner Kunst, aber immer bereit, seine neuesten Werke zu zeigen, nicht immer dem großen Publikum, denn große Auftritte lagen ihm nicht.
Diese stille und ruhige Art des Künstlers taten dem Verkauf seiner Werke jedoch keinen Abbruch, vielmehr, wenn eine Ausstellung erfolgte, war sie mit Erfolg gekrünt, denn seine Werke waren schon früh Sammelobjekte in Osteuropa, in den USA und in Deutschland, sowohl in privaten als auch in öffentlichen Sammlungen zu finde: Das Geheimnis – seine Kunst ist einfach und klar im Sujet.
Hermann Sawitzky, Hamburg, April 2002.
Aus: Georg Johann Tribowski, Gemälde und ausgewählte Zeichnungen, 2006, S.87-88