Eine Computergeschichte

Ich trenne Karton und Styropor von dem Gerät, das nur zwei Kabel hat, eines für die Steckdose, eines ist das Antennenkabel…denkbar einfach! Ich schalte das Gerät ein und etwas blinkt, wartet offenbar auf meine Aktion. „Hallo Computer!“, tippe ich ein wie viele tausende anderer Menschen beim ersten Versuch auch. Es erscheint ein Text, den die Deutschlehrer auch kennen: „?Syntax error“. Das war nix! Der Computer verlangt schon etwas mehr Verständnis. Man ließt die Gebrauchsanweisung und „stümpert“ sich etwas zurecht. Vielleicht startet man ein Programm, das heißt zumeist ein Spiel. Die Spiele haben zu dieser Zeit schon eine bessere Qualität erreicht. Die Auflösung, das bedeutet die Anzahl der Punkte pro Fläche, ist größer. Der Computer hat sogar einen Namen: C64. C für die amerikanische Firma Commodore, außerdem steht die 64 für die 64 Kilobyte Speicher des Elektronikkastens. Ich rieche das ausgepackte Produkt, das einen unterschwelligen und eigentümlichen Geruch verstreut.

Stundenlang spielen mein Freund und ich an dem C64 die Raubkopien, die überall verteilt werden. Es kursierten Horrorgeschichten von Leuten, die 2000 DM Strafe zahlen mussten. Gäbe es die Raubkopien nicht, wären die Spiele nicht so verbreitet, sie waren für die meisten nicht erschwinglich. Irgendwelche angesehenen Programmierer „crackten“ die Spiele, das heißt, sie knackten die Spiele, sie schalteten den Kopierschutz aus, der uns das ruchlose Kopieren und den Tausch ermöglichte. Wir waren alle ein wenig kriminell! Jede Woche gab es neue Computerspiele, die einen Höhepunkt des Wochenendes darstellten.

Was waren die ersten Computerspiele doch primitiv! „Ping-pong“ hieß das erste, es bedurfte lediglich etwas Koordination und der Reflexe. Man war nur fasziniert wohl von der Tatsache, das man „etwas auf dem Fernseher bewegte“. Es war eine ziemlich schwachsinnige Ablenkung! Dann kamen langsam zusätzliche Farben ins Spiel und Modulkarten, schließlich hunderte verschiedene; jede Modulkarte war ein anderes Spiel. Dieses Zeitalter ging mit der Konsole von Atari zu Ende und wurde abgelöst durch den C64, der uns alle, Tausende von Menschen einlud, selbst zu programmieren. Und wir programmierten und tippten millionenfach die Befehle meißt in der Computersprache BASIC in die Tastaturen des C64…GOTO, PRINT, IF…THEN, GOSUB usw..

Die Computer sind eine Geschichte für sich…angeblich programmierten schon Mathematiker, als es noch gar keine Computer gab. Ingenieure bohren mit Standbohrmaschinen Löcher in Karten, die Programme darstellen. Der Physiklehrer erzählt voller Stolz von seinem ersten Taschenrechner, der 300 Deutsche Mark kostete und nicht einmal die Winkelfunktionen konnte. Die ersten Digitaluhren…Computer, die im Fernsehen schon Sprechen konnten…Hier in Hamburg wirkte der Computerpionier Konrad Zuse mit seiner ziemlich riesigen Apparatur.
Nun sage jemand, es passiere wenig… Aber diese Zeiten sind vorbei. Ich erlebte noch das Aufkommen der Computer, die heutigen Menschen werden geboren und kennen eine Geschichte ohne Computer nicht mehr…

Mein Freund und ich spielten manchmal Schach auch oft gegen den Computer und verloren meist. Halt! Langsam! Wieso kann der Computer Schach spielen und dies jetzt schon besser als wir, die wir zwar keine Vereinsspieler waren?
Karpow gegen Kortschnoi, dann Kasparow gegen Karpow, alles Russen, die legendären Partien, Schachmattprobleme, Simlutanpartien, der verrückte Bobby Fischer, Blindpartien, Blindsimultanpartien usw. Wie kann der Computer besser Schach spielen als wir und wie kommt das Schachbrett in den Computer?

Ich grübelte und grübelte…es musste etwas mit einem Feld zu tun haben. Das Feld besteht aus 8 mal 8 also 64 Feldern wie das Schachbrett. Jedes Feld ist ein Speicherplatz und bekommt eine Zahl. Jemand der kein Schachprogramm programmiert hat versteht mich nicht!… Eine Bewegung nach rechts ist plus eins, eins nach links ist minus eins, eins nach vorne plus acht, der Läufer geht schräg, also plus 7, plus 9,minus 7 oder minus 9. Soweit alles klar. Aber dann geht der Springer am Rand des Feldes hinaus und kommt irgendwo wieder an. Ich grübelte und das zum ersten Mal in dieser Form! Ich grübelte, bis ich ein Schachbuch fand: „Das große Computerschachbuch“ von dem angesagten Verlag „Data Becker“. Ich las es, bekam die Erleuchtung und ärgerte mich, dass Problem nicht selbst gelöst zu haben. Man musste nur einen Rand hinzufügen, Felder die nicht betretbar waren.

Nun programmierte ich soviel, dass ich keine Fingernägel mehr schneiden musste. Es kam ein neues Problem auf…die Computersprache BASIC war zu langsam, es gab nur einen Ausweg: ich musste in Maschinensprache bzw. Assembler programmieren, dies ist die schnellste Sprache, die Sprache des Computers selbst. Zum ersten mal in meinem Leben, lernte ich aus einem Programmierbuch etwas autodidaktisch! Die Lehrer verstanden von Computern in der Regel nichts.
Die Entwicklung ging weiter: Es kamen neue Rechner auf mit einer schnelleren Taktung, fast 8 Mega-Hertz und mehr Speicherkapazität, 1 Mbyte und mit Festplatten; man musste, um auf der Höhe der Zeit zu sein, schnellere, recht teure Computer kaufen.

Mein Computerschachprogramm funktionierte, was die Informatiklehrerin nicht recht glauben wollte. Aber es machte keine guten positionellen Züge. Wenn kein materieller Vorteil, also taktischer Vorteil, also ein Figurengewinn möglich ist, muss das Programm strategische Züge, also Züge machen, die die Position und Ausgangslage langfristig verbessern.

Das ganze Programmieren dreht sich doch um Schleifen, die etwas wiederholen bis ein Zähler erreicht ist oder eine bzw. mehrere Abbruchbedingungen eintreten. Bits und Bytes und hexadezimal, ab etwa 1956 kamen die Transistor schrittweise, Elektrizität, Physik und Mathematik, Mathematik mit Verfahren, die schon die griechischen Philosophen benutzten…

Heute sind die Rechner vernetzt, man benutzt in Büros die Computer, man „sürft“ im Internet und digitalisiert alles machbare, vergisst dabei manchmal, das der es sich um ein Werkzeug handelt. Heute versucht die Kybernetik künstliche Wesen zu erschaffen. Beim Tippen dieses Textes in den Laptop krabbelt eine Fliege über den Bildschirm.

(9.2021)