Was ist Kunst? (Rede von Hermann Sawitzky)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich darf Sie begrüßen zur Ausstellung und sie einstimmen in den Kunstgenuss:

Denk ich an Kunst in der Nacht, bin ich am nächsten Morgen um meine Erspartes gebracht,

frei nach Heine, so wirkt Kunst auf mich – anziehend, haben wollen um jeden Preis…auch Enyedis Kunst, ganz gleich ob Keramik, Ölbild oder Zeichnung …ich glaube mit meiner Kunstbesessenheit stehe ich nicht alleine, es gibt viele Sammler, nur eine Krankheit ist es schon und man sollte vielleicht mal einen Psychiater aufsuchen, wird heute ja von der Krankenkasse bezahlt…
Ergänzung von Janos Enyedi: Es muss aber bedeutende Kunst sein, denn Kunst bedeutet Fertigkeit, die die Beherrschung einer gegebenen Technik oder Methode erfordert. Außerdem ist es die Aufgabe des Künstlers, da in der Welt eine Hierarchie von höheren Werten besteht, diese Werte seinem Publikum zu vermitteln und zwar durch seine Werke.
Auch darf nicht vergessen werden, dass es verschiedene Zustände von Ordnung und Unordnung gibt und das die Charakteristiken, die wir mit visueller Ordnung verbinden, wie Symmetrie, Wiederholung, Gleichgewicht, Farbenharmonie usw., Schönheit konstituieren. Daraus folg dann, dass es die Aufgabe des Künstlers ist, Schönheit in dem Maße auszudrücken, als es seinen Fähigkeiten, hier Kunst, erlauben.
Dieses drückt der Künstler im Realismus als visuelle Technik aus, die höchste Methode der Beobachtung und Beurteilung der Welt, befreit von den Ornamenten, die früher von Kirche und Staat der Kunst aufgezwungen waren.
Außerdem sind Geschichte und Tradition für den Künstler selbstverständlich und Wissen und Erfahrung unterscheiden unter anderem den Künstler von Lehrling.

Was soll das Ganze, was sind das für Spinner, sie leben wider den Zeitgeist?
Was brauchen wir festgesetzte Kriterien für künstlerische Fähigkeiten, diese ist institutionelles und elitäres Geschwätz, es gibt keinen Unterschied zwischen Amateur und professionellem Künstler, auch kein ererbtes Talent – jeder ist Künstler!
Was sind Werte, was Wertesysteme? Zwang, Unterdrückung! Wir pfeifen darauf.
Schönheit – visuelle Ordnung – und Hässlichkeit – visuelle Unordnung – was soll das, wozu soll das gut sein? Zufall und freie Assoziation ersetzen den herkömmlichen Primat (eines vernünftigen Vorgehens). Individualismus wird durch Kollektivismus ersetzt: Concept- und Performance Kunst sind in. Medien-orientierte Berühmtheit ersetzt den romantischen Individualisten.
Realismus? Was brauchen wir Realismus, die weniger Wirklichkeit reproduziert als Photographie – wird von uns abgelehntals eine unerfinderische und sklavische Technik.
Was heisst hier geschichte und eine kulturelle Tradition sind für die künstlerische Entwicklung notwendig – Vergangenheit ist eher ein Hindernis für Kreativität. Und was soll der Unterschied Meister und Schüler – Medien-Berühmtheiten sind die Meister von Heute!
Sieh an, sagt Enyedi, Zeitgeist und Medien-Berühmtheiten – kennen wir sowas nicht aus der grossen Politik, wo die Politiker eher in Talk-Shows bei Christiansen auftauchen und ihre Politik verkleckern als im Parlament, wo die Politik eigentlich hingehört?
Wir wollen jedoch nicht von der Kunst abschweifen. Die Beobachtungen, die ich hier beschreibe, sind in vielen Galerien, Akademien und Kunstinstitutionen anzutreffen.

Meiner Meinung nach ist die Beziehung der gegenwärtigen Lage der Kunst und unserer kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft unzweifelhaft.
So wie geplanter Verschleiß und konventionelle und frei assoziierte Reklame täglicher Begleiter unserer kapitalistischen Produktion und Gesellschaft sind, so gehören sie auch zur Kultur der kapitalistischen Welt, wo man sich von Ablenkung zu Ablemnkung, von Auktion zu Auktion und von Star zu Star wendet, halt eine Event- eine Spass-Gesellschaft.
Man mag einwenden, dass die Dynamik des kapitalistischen „Star Business“ die Kunst dem Volke näher bringt, aber ich befürchte eher, dass die Kultur vollständig in die Hände der Reklame-Agenten und Vertreter der Public Relations gelangt. Dies ist oft keine leichte Situation für Künstler. Die Anarchie des Marktplatzes findet ihre Parallele in der Anarchie der Kunstproduktion.
Und hier sind wir wieder beim Künstler Janos Enyedi, der sich seit über 20 Jahren mit der Frage beschäftigt, was bedeutende Kunst ist, was gelungene Kunst ist.
Enyedi kommt zum vorläufigen Ergebnis: „bedeutende Kunst als nicht-verbale…Lebensäußerung ist ein Kulturgut des Menschen von besonderer Qualität und grenzt sich von der „sogenannten Kunst“, die als Warenprodukt im Marktgeschehen entsteht und verbraucht wird, deutlich ab“.
Liebe Gäste, versuchen Sie sich bei der Betrachtung von der hier ausgestellten Kunst und dem Gehörten einen Reim daraus zu machen.
Ich danke Ihnen und noch viel Spass!

Hamburg Mai 2004
Hermann Sawitzky