Waffenstillstand 1919 bis 1924
überwiegend aus: E.E. Dwinger, Wir rufen Deutschland,-
Heimkehr und Vermächtnis, 1921 – 24, Jena 1932
Die 14 Punkte der Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Woodrow Wilson an den US-Kongreß.
Vom 8. Januar 1918.
Das Programm des Weltfriedens ist unser Programm, und dieses Programm – unserer Auffassung nach das einzig mögliche – ist folgendes:
I. Offene Friedensverträge, die offen zustande gekommen sind, und danach sollen keine geheimen internationalen Vereinbarungen irgendwelcher Art mehr getroffen werden, sondern die Diplomatie soll immer offen und vor aller Welt arbeiten.
II. Vollkommene Freiheit der Schifffahrt auf den Meeren, außerhalb der Küstengewässer, sowohl im Frieden als auch im Kriege, außer insoweit, als die Meere ganz oder teilweise durch internationale Maßnahmen zur Erzwingung internationaler Abmachungen geschlossen werden mögen.
III. Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken, soweit möglich, und Errichtung gleicher Handelsbeziehungen unter allen Nationen, die dem Frieden zustimmen und sich zu seiner Aufrechterhaltung zusammenschließen.
IV. Austausch ausreichender Garantien dafür, daß die nationalen Rüstungen auf das niedrigste, mit der inneren Sicherheit zu vereinbarende Maß herabgesetzt werden.
V. Eine freie, weitherzige und unbedingt unparteiische Schlichtung aller kolonialen Ansprüche, die auf einer genauen Beobachtung des Grundsatzes fußt, dass bei der Entscheidung aller derartigen Souveränitätsfragen die Interessen der betroffenen Bevölkerung ein ebensolches Gewicht haben müssen wie die berechtigten Forderungen der Regierung, deren Rechtsanspruch bestimmt werden soll.
VI. Räumung des ganzen russischen Gebiets und eine solche Regelung aller Rußland betreffenden Fragen, die ihm die beste und freieste Zusammenarbeit der anderen Nationen der Welt für die Erlangung einer unbeeinträchtigten und unbehinderten Gelegenheit zur unabhängigen Bestimmung seiner eigenen politischen Entwicklung und nationalen Politik sicherstellt und es eines aufrichtigen Willkommens im Bunde der freien Nationen unter von ihm selbst gewählten Staatseinrichtungen versichert, und darüber hinaus die Gewährung von Beistand jeder Art, dessen es bedürfen und selbst wünschen sollte. Die Rußland in den nächsten Monaten von seinen Schwesternationen gewährte Behandlung wird der Prüfstein für deren gute Absichten und ihr Verständnis für seine Bedürfnisse – zum Unterschied von ihren eigenen Interessen – sowie für ihre verständige und selbstlose Sympathie sein.
VII. Belgien muss, wie die ganze Welt übereinstimmen wird, geräumt und wiederhergestellt werden, ohne jeden Versuch, seine Souveränität , deren es sich ebenso wie alle anderen freien Nationen erfreut, zu beschränken. Keine andere Einzelhandlung wird so wie diese dazu dienen, das Vertrauen unter den Nationen, das Vertrauen unter den Nationen zu Gesetzen wiederherzustellen, die sie selbst für die Regelung der Beziehungen untereinander aufgestellt und festgesetzt haben. Ohne diesen heilenden Akt ist die ganze Struktur und Geltung des Völkerrechts für immer erschüttert.
VIII. Alles französische Gebiet sollte befreit und die besetzten Teile sollten wiederhergestellt werden, und das Frankreich von Preußen im Jahre 1871 hinsichtlich Elsaß-Lothringen angetane Unrecht, das den Weltfrieden während eines Zeitraums von nahezu fünfzig Jahren in Frage gestellt hat, sollte wieder gutgemacht werden, damit erneut Friede im Interesse aller gemacht werde.
IX. Es sollte eine Berichtigung der Grenzen Italiens nach den klar erkennbaren Linien der Nationalität durchgeführt werden.
X. Den Völkern Österreichs-Ungarns, deren Platz unter den Völkern wir sichergestellt und zugesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung gewährt werden.
XI. Rumänien, Serbien und Montenegro sollten geräumt werden; besetzte Gebiete sollten wiederhergestellt werden; Serbien sollte freier und sicherer Zugang zum Meere gewährt werden; und die Beziehungen der verschiedenen Balkanstaaten zueinander sollten durch freundschaftliche Verständigung gemäß den geschichtlich feststehenden Grundlinien von Zugehörigkeit und Nationalität bestimmt werden. Auch sollten internationale Bürgschaften für die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie für die territoriale Unverletzlichkeit der verschiedenen Balkanstaaten übernommen werden.
XII. Den türkischen Teilen des gegenwärtigen Osmanischen Reiches sollte eine sichere Souveränität, den anderen derzeit unter türkischer Herrschaft stehenden Nationalitäten aber eine unzweifelhafte Sicherheit der Existenz und unbeeinträchtigte Gelegenheit für autonome Entwicklung zugesichert werden; auch sollten die Dardanellen unter internationaler Garantie dauernd als ein freier Durchgang für die Schiffe und den Handel aller Nationen geöffnet werden.
XIII. Es sollte ein unabhängiger polnischer Staat errichtet werden, der die von unbestritten polnischen Bevölkerungen bewohnten Gebiete einschließen sollte, dem ein freier und sicherer Zugang zum Meere zugesichert werden sollte und dessen politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit durch internationales Abkommen garantiert werden sollten.
XIV. Es muß zum Zwecke wechselseitiger Garantieleistung für politische Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit der großen wie der kleinen Staaten unter Abschluß spezifischer Vereinbarungen eine allgemeine Gesellschaft von Nationen gebildet werden.
Quelle: Der Waffenstillstand 1918-1919. Das Dokumenten-Material der Waffenstillstands-Verhandlungen von Compiègne, Spa, Trier und Brüssel, hrsg. im Auftrage der Deutschen Waffenstillstands-Kommission, Bd. 1, Berlin 1928, S. 3-6.
Dieses 14-Punkte-Programm legte Wilson am 8.1.1918 dem Kongress vor, das einen für alle Parteien annehmbaren Friedensschluss vorsah. Diese Friedensbotschaft war für die deutsche Reichsregierung, die Grundlage eines Waffenstillstand und sollten auch, so verstand es die Reichsregierung, Grundlage während der Verhandlungen der Pariser Vorortsverträge 1919 sein.
(…)Ach, wir haben ja keine Ahnung gehabt, wie das während des Krieges bei uns aussah, Hunderttausende sind allein durch Unterernährung zugrunde gegangen, durch die Blockade (der Engländer) richtig verhungert! So blieb beim besten Willen nichts mehr übrig, als möglichst rasch den Frieden zu suchen(….)
…Kurzum, er (Wilson) sprach davon, dass keiner der Staaten dafür bestraft, keines der besiegten Völker vergewaltigt, kein Stückchen Land ohne Willen der Völker geraubt, keinerlei Tributzahlungen auferlegt werden dürfe.
Nun, diese Punkte schlägt die Reichsregierung als Verhandlungsbasis vor, auf ihrer Grundlage erbittet sie einen sofortigen Waffenstillstand(…) Antwort (von Wilson), er werde alles tun, nur müsse vorher Elsass-Lothringen, zudem das besetzte Gebiet geräumt werden. Außerdem steht noch ein Satz darin, der darüber Aufklärung verlangt, ob man nur für diejenigen spreche, die bisher den Krieg führten -.
Die Reichsregierung antwortet, man habe das Gesuch in Namen des deutschen Volkes geschickt. Daraufhin kommt es am 14. die zweite Note – sie sagt schon offener, wenn das Volk den Frieden wünsche, wolle man ihn auch mit dem Volk abschließen.
Das heißt doch im Grunde klipp und klar, dass sie die Abschaffung der Monarchie verlangen? Wie geht das aber mit den wichtigsten Punkt, dem der Selbstbestimmung der Völker zusammen? Man kann doch nicht gleichzeitig die Bedingung stellen, eine Staatsform gegen den Willen des Volkes zu ändern?
Die Reichsregierung entgegnet nochmals ausweichend, die dritte Antwort (von Wilson) aber ist endlich unverhüllt: Von den monarchischen Autokraten könne man nur Übergabe verlangen – zu Friedensverhandlungen müsse Deutschland sich dieser zuvor entledigen.
(…)Ich hörte schon, dass Wilson ein Betrogener sei, er scheint mir aber nicht weniger ein Betrüger.
Ludendorff wird daraufhin entlassen. Gröner zu seinem Nachfolger ernannt. In diese Umstellungen fallen die ersten Nachrichten der Marinemeutereien(…). Wenige Tage später bricht die alte Ordnung überall zusammen (9.11.1918), herrschen die Räte der Arbeiter und Soldaten in ganz Deutschland.
Am 9.11.1918 schildert Gröner im Hauptquartier die aussichtslose Lage der Armee, die unaufhaltsame Ausbreitung der Revolte in der Heimat. Es gäbe keine Verpflegung noch nennenswerte Munition mehr, alle Nachschübe würden von den Soldatenräten aufgehalten.
(…)Der Kaiser will die Armee dennoch zurückführen, der demokratische Gröner widerspricht energisch. Während man noch im Hauptquartier darüber berät, kommt schon eine Meldung aus Berlin von der Regierung, dass man die Abdankung des Kaisers proklamiert habe,(…)
(…)Am 10.11.1918 erwartet Foch in Compiegne die deutsche Waffen-stillstandskommission. Er benimmt sich schlimmer als sein letzter Negersoldat, von Frankreichs berühmter Höflichkeit ist nichts zu spüren – vielleicht jedoch war der geschwätzige Erzberger nur nicht der Mann, ihm jene ritterliche Achtung abzuringen, die unserm Volk gebührte. Er trommelte also hochmütig mit dem Zeigefinger auf den Tisch, verlangte die Räumung des besetzten Gebietes in fünfzehn Tagen. Außerdem muss das gesamte Herr in weiteren 10 Tagen hinter dem Rhein stehen, der gesamte Osten in kürzester Frist derart freigegeben sein, das alle Soldaten hinter den
Grenzen von 1914 liegen. Er erklärt den Frieden mit Russland und Rumänien für ungültig, fordert, fordert, fordert(…)(entwaffnet Deutschland).
Ja, aber(…)das war doch jene Übergabe, die der Kaiser durch seine Abdankung vermeiden wollte!
Foch gestattete keine einzige Entgegnung, lehnte auch jede weitere Erklärung ab. Nicht einmal die Blockade wurde aufgehoben -.
Ist – das – möglich?(…)Und im ganzen Reich kam niemand auf den Gedanken, dass diese rein militärischen Forderungen nur dazu dienen sollten, jedes Auflehnen gegen den zukünftigen Friedensvertrag von vornherein unmöglich zu machen?
Und wo – wo bleiben die 14 Punkte?
Nur erst alles räumen, hinter den Rhein treiben, sagte Foch, sagte Poincaré, sagte Clemenceau, dass sie (die Deutschen) keinesfalls je wieder beginnen können, mit dem Tölpel Wilson werden wir schon fertig werden – das war noch übrig von den 14 Punkten(…)
Wehe dem Volk, das seine Waffen um 5 Minuten zu früh an die Wand stellt – hat eine linke Zeitung einmal geschrieben, in diesen fürchterlichen Tagen aber erklärte sie : Das Deutsche Reich, das ist unser fester Wille, soll seine Kriegsflagge für immer streichen,
ohne sie das letzte mal siegreich heim gebracht zu haben!
aus: Edwin Erich Dwinger, a.a.O.
aus: Erika Müller-Hennig, Wolgakinder im Baltenland, Berlin o.J.
Das Deutsche Reich hatte Waffenstillstand mit seinen Feinden geschlossen. Und eigentlich ist Waffenstillstand doch nichts Trauriges, fanden die Kinder(…) Aber – das eben verstanden die Kinder nicht – der Waffenstillstand, den Deutschland jetzt schliessen musste, hatte ganz ungleiche Bedingungen(…)
Deutschland sollte Kanonen, Maschinengewehre, Minenwerfer, Flugzeuge, U-Boote, Kreuzer abgeben und alle übrigen Schiffe entwaffnen.
Deutschland sollte innerhalb von 14 Tagen das linke Rheinufer räumen.
Deutschland sollte die Kriegsgefangenen ausliefern.
Deutschland sollte(…)Deutschland sollte(…)
Und die anderen? (…)Soviel sie auch die Zeitungen durchsuchte, davon war nirgends die Rede. Nur etwas Schreckliches las sie da: Die Blockade gegen Deutschland blieb bestehen. Sie wusste, dass während des Krieges die feindlichen Mächte einen engen Gürtel um Deutschland gelegt hatten und keinerlei Lebensmittel oder Rohstoffe ins Reich hineinliessen. Das deutsche Volk, das mit Waffen nicht zu besiegen war, sollte durch Hunger zum Ergeben gezwungen werden. Aber jetzt – beim Waffenstillstand?
Sollte da dieser Kampf weitergeführt werden – gegen Deutschlands hungernde Kinder?
Jetzt wieder aus: Edwin Erich Dwinger, a.a.O.
Am 9.November 1918 wurde in Berlin offiziell die Republik ausgerufen, verkündete Scheidemann sie aus dem Fenster des Reichskanzlerpalais mit den Worten: Das Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt… (Die Sozialisten haben gesiegt, eine Art Staatsstreich, das Volk wurde gar nicht gefragt.)
Am nächsten Tage wird unter dem Vorsitz Ebers der Rat der Volksbe-
auftragten gebildet, er verkündet Freiheit, Arbeit, Brot… aber im Gegensatz dazu haben die Unabhängigen schon die Arbeitermassen mobilisiert, rufen unter Liebknecht in den Strassen zur Diktatur des Proletariats auf…
Hindenburg führt die Armee in bewunderungswürdiger Ordnung in
die Heimat(…) Die Heimat empfängt auch die Geschlagenen mit Kränzen,
(…)Seid willkommen, wackere Streiter – Gott und Wilson helfen
weiter…
Sie ziehen ein durchs Brandenburger Tor…Aber die Strassen sind voller Revolutionäre, auf vielen Stellen werden schon rote Fahnen geschwenkt. „Holt sie doch runter von den Pferden, die wilden Bluthunde(…)Die Herrlichkeit ist jetzt vorbei, schreit jemand schrill. Dennoch wagt das niemand auszuführen(…) Inzwischen wird der Waffenstillstand verlängert diesmal gegen Auslieferung der gesamten Handelsflotte (Engländer haben damit eines ihrer Kriegsziele erreicht) Als General von Winterfeld bittet, dafür doch wenigstens die Gefangenen freizulassen, antwortet Frankreichs General: Darüber sei einstweilen noch nicht zu reden(…) Im Osten des Reichs werden die heimkehrenden Truppen rasch zersetzt, in den Soldatenräten tauchen plötzlich haufenweise Polen auf, halten in den Städten große Befreiungsreden, kaufen auf dem Lande eine Menge Rittergüter, stopfen sie für die Volksabstimmungen voll eigener Leute(…)Endlich erlaubte die Regierung einen Grenzschutz, um die Angriffe der Polen auf immer neue Gebiete einzudämmen(…)In letzter Stunde schickt man Hindenburg mit einem Frontheerteil nach Kolberg, gleichzeitig kommen aber schon Befehle der Waffenstillstandskommission, dass alle Angriffe auf die Polen einzustellen sind, den Polen aber macht man keinerlei Vorschriften. Frankreich bestimmt eine beinahe ganz Posen umfassende Demarkationslinie, General de Rond gibt Deutschland als einzigen Weichselzugang eine Straße von 6 Metern Breite. Außer der gesamten Provinz Posen mit allen Städten dürfen Graudenz, Kulm und Thorn von den Polen besetzt werden(…)
…am 19.1.1919 wurde also die Nationalversammlung bestellt. Da in Berlin noch alles drunter und drüber ging, die Spartakisten jeden Tag Schießereien verursachte, trat sie in Weimar zusammen (darum Weimarer Republik). Erzberger hält große Reden, dass man Ostpreussens Trennung nie zugeben werde. (Wie die BRD-Politiker in den 50er und 60er Jahren – Dreigeteilt – niemals!). Friedrich Ebert wird zum ersten Präsidenten gewählt…Zur gleichen Zeit begannen die Friedensverhandlungen in Versailles – ohen die Deutschen. Seit wann nennt man das Verhandlungen? Zu einer Verhandlung gehören doch bisher immer zwei?
Wilson war herübergekommen (von Amerika nach Europa), erfüllt von seiner heiligen Weltmission,(…) Clemenceau aber schleift ihn erst mal durch hundert Feste, gibt damit so lange seiner ohnedies schwachen Gesundheit Stöße, bis er ihm genügend geschwächt erscheint(…)Endlich beginnen sie mit der Arbeit, aber sogleich klaffen Gegensätze auf. Wilson will in richtiger Erkenntnis erst den Völkerbund, Clemenceau erst den Frieden…Lloyd Georg, den anderen Großen, der Europa wiederum dahin formen möchte, wie es Englands Politik am besten passt. Clemenceau und Foch wollen Deutschland offen von der Weltkarte löschen, Lloyd Georg ist mit dem Ziel – dem gleichen – viel winkelzügiger. Er hat genug, wenn Deutschlands Rivalität als Weltmacht gebrochen ist,(…)
Und Wilson? Nun, Wilson saß dabei…erkannte sofort, dass er als Heiland unter die Räuber gefallen war, dass niemand mehr an Bedingungen denken wollte, unter denen Deutschland die Waffen niedergelegt? Man überschüttete ihn (Wilson) mit Denkschriften – alle verlangten schreiend, Deutschland müsse in 8 Staaten zerlegt werden. Gewiss versuchte er noch manches zu retten, sprach auch einmal vor aller Welt aus, „dass Clemenceaus Verfahren unvereinbar mit dem sei, was wir den Feind in voller Überlegung erhoffen ließen – und dass wir es heute nicht nur deswegen ändern dürfen, weil wir inzwischen die Macht errangen.“ Die Schacherei geht endlos weiter…und zuletzt war es für den Revanchegeist Clemenceau ein leichtes auch die letzten Reste der Wilsonpunkte zu zersetzen. Mit gefälschten Bevölkerungsstatistiken wurde ihm bewiesen, dass im gesamten Osten die polnischen Bürger überwogen, außerdem erkannte er (Wilson) aus den Reparationsforderungen Clemenceaus, dass diese Summen nur des wegen über jedes erfüllbare Maß hinausgingen, um immer die Möglichkeit von Strafexpeditionen in der Hand zu haben….Und das verurteilt jede Erfüllungspolitik von vornherein zum Tode,(…), Zahlen wir alles, gehen wir an den Zahlungen zugrunde, zahlen wir aber nicht, zerreiben sie uns durch Strafmaßnahmen -(…) Wohl warnt Lloyd Georg jetzt wieder, weil diese Gelder zum größten Teil an Frankreich fallen,(…)jedoch Clemceau händereibend,
„Sie haben ja Erzberger! Das ist ein geschäftiger Mann, der wird sie schon dazu bringen! (zu unterschreiben)
(…)Anfang Mai 1919 fuhr Außenminister Graf Brockdorff-Rantzau nach Versailles, den Vertrag entgegenzunehmen. Clemenceau spritzte ihm eine Rede voller Gift entgegen(….)
Brockdorff protestierte in unwiderlegbaren Worten gegen die Alleinschuld, deren Paragraphen man schon jetzt trotz aller Heimlichkeiten erfuhr. Er sprach davon, das Deutschland diesen Frieden dennoch ruhig erwarte, da die Gegner ja offiziell auf den Machtfrieden verzichtet, an seiner Statt den Frieden der Gerechtigkeit verkündet hatten. Am 5.11.1918 hätten sich die Alliierten in Wilsons Namen mit der Basis der 14 Punkte einver standen erklärt, diese Grundsätze seien also jetzt nach klarem Recht für beide Teile bindend. Das sagte er und vieles andere…
Brockdorff bringt den Vertrag nach Berlin,(…) In aller Kürze: Elsass-Lothringen fällt ohne Abstimmung an Frankreich, Eupen
und Malmedy (mit Abstimmung?) an Belgien, Teile von Oberschlesien und Westpreußen, Posen und Teile von Ostpreußen an Polen (zum Teil durch Abstimmung), Memel und Danzig und Saargebiet werden selbstständig, Nordschleswig erhalten die Dänen. Die Kolonien werden als Mandatsgebiet erklärt. Das Rheinland und die Pfalz auf 15 Jahre besetzt. Die Armee wird auf den zehnten Teil herabgesetzt, die allgemeine Wehrpflicht verboten(…) Die deutschen Gefangenen kommen nicht eher heim, bis diese Friede ratifiziert ist. Alle Schäden müssen ersetzt, alle Soldatenpensionen bezahlt werden, die Summe wird jedoch erst später festgesetzt.
Das gesamte Eigentum im Ausland verfällt, – landwirtschaftliche Tiere, Kohle liefern,(…) Eine Liste von Kriegsverbrechern ist dabei,(…)auch der Kaiser wird wegen Verletzung der inter-
nationalen Sittengesetze(…)
Wie lautet das: Verletzung der Sittlichkeit? (…),das wagen diese Leute zu sagen, die einst 14 Punkte verkündeten, dann aber daraus ein (Friedensdiktat) Versailles machten? Die gegen Sitte und Menschlichkeit, gegen Treu und Glauben in einer Art verstießen, wie in der Geschichte noch nie dagegen verstoßen wurde?
Nicht einmal Deutschösterreich wird der Anschluss an das Deutsche Reich gestattet. – Und das heisst: Selbstbestimmungsrecht der Völker?
Deutschland ist im ersten Augenblick wie erschlagen. Gott und Wilson helfen weiter – (…)Aber der Vertrag wird gar nicht recht bekannt, wird er von der Regierung absichtlich verheimlicht? Inzwischen kämpft Brockdorff einen aussichtslosen Kampf, 17 lange Noten schickt er nach Paris (und verweist auf die 14 Punkte Wilsons),(…) Mit unsäglicher Genauigkeit bemüht er sich, die
Widersprüche zwischen dem Vertrag und den einstigen Verkündigungen aufzudecken. Clemenceaus Antwort lautet: Er könne keine
Widersprüche darin entdecken(…)
Brockdorff rät der Regierung, nicht zu unterschreiben.
Der (…) Erzberger sprang wieder ein, sprach von Vabanquepolitik, versicherte jedem hundertmal, man müsse erst mal alles ruhig unterzeichnen, würde damit am ehesten Verzeihung erlangen. Es klingt wie Hohn, ist dennoch wahr(…) In der Nationalversammlung geht es hin und her, endlich lehnt man wenigstens erst einmal den Ehrenpunkt ab, den Paragraphen von der Alleinschuld. Clemenceau antwortet darauf in aller Kürze, es gäbe keine Zusätze zu diesem Auftrag, sondern nur noch die Fortsetzung des Krieges. Von neuen begann der Kampf, von neuen begann Erzberger zu werben. (…) rät auch Gröner zur Unterzeichnung. Damit ist der Kampf entschieden.
(1919 fährt man von Swinemünde nach Pillau mit dem Dampfer, es ist ein kleines Frachtschiff, das den gesamten Verkehr nach Ostpreußen besorgt, da die Eisenbahnfahrt durch den Korridor beinahe unmöglich, jedenfalls mit quälenden Schikanen verbunden ist.)
(…)Hier im Osten war es im jenem Winter (1919) besonders schlimm, die Polen machten immer neue Überfälle, die Deutschen aber hatten nirgends eine Stütze. Was innerhalb der Demarkationslinie nicht geflohen war, wurde einfach in das russische Gefangenenlager Skipiorno gebracht. Als Deutsche im deutschen Land im Gefangenenlager!
In der Zwischenzeit ist das ganze Rheinland besetzt worden, der Feind einen Tagesmarsch hinter den Deutschen eingezogen. Die ganze Welt ergoss sich über Deutschland, Amerikaner, Neuseeländer, Australier und Engländer, Portugiesen und Franzosen. Am bittersten war, dass die Franzosen überall Schwarze stationierten, Marokkaner, Senegalneger, Indochinesen und Turkos -…Täglich vergewaltigten diese (…) unsere Frauen – England blieb taub gegen unsere Schreie, das rassenstolze Amerika stumm, Frankreich triumphierte! Was konnte man auch von einem Lande auch erwarten, dessen oberster Minister sich wegen der schwarze Schmach äußerten: Er verstehe die deutsche Erregung darüber gar nicht, denn der letzte Senegalneger stehe turmhoch über dem Universitätsprofessor aus München oder Berlin. Und alle Menschen dieser Erde schwiegen, obwohl gerade diese die meisten Erfindungen, die tiefsten Philosophen geschenkt.
Im März machte der Separatismus im Rheinland den ersten Vorstoß.
Ein Dr. Dorten ruft unter dem Schutz General Mangins die Rheinische Republik aus, auch diesmal nach dem berühmten Rezept der vollendeten Tatsachen.
(…)Das Hauptaufstandsgebiet (der Kommunisten) war die Gegend um Halle, dort wurde die mitteldeutsche Räterepublik ausgerufen. Die Reichswehr musste dort jedes einzelne Haus erobern, nach wenigen Tagen aber siegte sie völlig. Nur im Ruhrgebiet durften sie nicht
vorrücken, da dieses Gebiet in der neutralen Zone von Versailles lag. Als es jedoch Anfang April unhaltbar wurde, trat General von Watter trotzdem den Vormarsch an,(…), die rote Armee rasch überall geschlagen,(…), als Frankreich Watters sofortigen Rückzug forderten und als Antwort setzten sich neue (französische) Heerscharen in Bewegung, besetzten wiederum Schwarze Frankfurt, Darmstadt,Offenbach, Hoechst.
(…)Zur gleichen Zeit kommen die Alliierten in San Remo zusammen…“Wie kann man Respekt vor den Verträgen verlangen“, ruft Lloyd George, „wenn wir sie nicht einmal selbst einhalten?“ Aber der Grund ist nicht ein empörtes Gerechtigkeitsgefühl, der Grund sind nur neuerwachte orientalistische Interessen! „Wir geben Ihnen die Ölquellen von Mossul, wenn Sie uns im Westen freie Hand lassen!“ antworten die Franzosen(…)
(…)Auf der Konferenz zu Boulogne (…) hier soll es sich zum erstenmal um die Reparationszahlungen handeln, die Franzosen reden auch alsbald von geradezu ungeheuren Summen. Aber nachdem man ihn (Lloyd Georg) mit zuvorkommender Erledigung seines Irakproblems bezahlt, erklärt (…) er auch hier sein Einverständnis (…) so dass die Einladungen zur nächsten Konferenz in Spanien ergehen können. Dort spricht auf deutscher Seite auch der Industrielle Stinnes, er spricht als erster ungeschminkt vom Zahlenwahnsinn der Alliierten. Als Antwort ruft man Marschall Foch, erwähnt man achselzuckend etwas von Ruhrbesetzung.
(…)Im Herbst 1920 tagten die ersten Sachverständigen in Basel, Frankreich verlangte immer energischer sein Geld, aber seine Besatzungstruppen zehren auf, was Deutschland zur Not zahlen könnte(…)
Dann aber kommen sie endlich für die Öffentlichkeit mit ihren Zahlen heraus(…) Deutschland soll erstmals jährlich 2 Milliarde Goldmark, nach drei Jahren 3 Milliarden, nach wieder drei jährlich 4 Milliarden, nach wieder drei jährlich 5, ab elften Jahr aber jährlich 6 Milliarden zahlen. (…)Abschliessend wird bestimmt, dass Deutschland 42 Jahre lang bezahlen muss, die Gesamtsumme auf 246 Milliarden Goldmark festgesetzt.
Lloyd George ist aber inzwischen so gut bezahlt, dass er seinen Reden beinahe schon Clemenceaus Ausdrücke verwendet (…) erklärt er, „dass die deutsche Alleinschuld Basis des Vertrages sei,(…)“
(…)Da Stinnes diese Forderung trotzdem nicht bewilligt, bricht man die Konferenz mit bösem Blick ab. Schon drei Tage später ziehen neue Truppen ins Rheinland, werden Düsseldorf und Duisburg und Ruhrort besetzt. Und diesmal sind sogar die Engländer dabei.
(…)Hörten Sie schon von der Abstimmung? Sie findet erst in 14 Tagen statt, aber schon rollen Hunderte von Zügen, aus dem ganzen Reich in den Osten(…) Es schlägt seine Schlacht ums Deutschbleiben – dürfen bewunderungswürdig, dies oberschlesische Volk! Mögen die Polen noch so drohen, es wird niemand zurückschrecken(…)
Nur der Terror ist noch ein Problem, denn überall werden polnische Flugblätter verteilt, worin den Angehörigen der zur Wahl kommenden gedroht wird, die Häuser anzuzünden. Im Lande selbst ziehen mit Messern und Knüppeln bewaffnete Banden umher, überfallen die einsamen Höfe der Deutschgesinnten, drohen sie bei ihrem Wiederkommen zu erschlagen, falls sie deutsch wählen würden.
Und die alliierte Kommission, die eine gerechte und unparteiische
Abstimmung garantierte – tut sie nichts? – Bis jetzt nichts(…)
Soeben ist die Nachricht der oberschlesischen Abstimmung eingetroffen. Es wurden beinahe noch einmal soviel deutsche als polnische Stimmen abgegeben! (…)wenn man den Terror in Betracht zieht, der mit blutigen Drohungen und himmelblauen Versprechen abwechselnd, die polnischen Stimmen sicherlich um viele mehrte.
(…)Die Zeitungen schreiben, dass die Reparationskommission die bisherigen Leistungen auf acht Milliarden veranschlage, während Deutschland sie auf 21 Milliarden feststellt. Sie verlangt bis zum 1.Mai die Bezahlung des fälligen Restes von 12 Milliarden(…)Diese Forderung zu erfüllen, ist der Regierung beim besten Willen unmöglich. In ihrer Not wendet sie sich an Amerika,(…) Es lehnt kühl ab, spricht aber von der Alleinschuld Deutschlands, die es wie jeder Schuldner nun einmal bezahlen müsse.
(…)Im ganzen südlichen Abstimmungsgebiet Oberschlesiens ist ein polnischer Aufstand ausgebrochen. Am 2.Mai sind durch polnische Verhetzung hundertneunzigtausend Grubenarbeiter in den Streik getreten. In der Nacht wurde das ganze Industriegebiet von Aufständischen überschwemmt. Die Kreise Beuthen, Kattowitz, Rybnik, Gleiwitz und Pless sind besetzt, alle Brücken und Eisenbahnen und Telefonnetze zerstört. Die deutsche Abstimmungspolizei wurde entwaffnet, der größte Teil von ihnen ermordet. Alle deutschen
Beamtenhäuser wurden überfallen, die Einwohner auf grausamste Art misshandelt, viele hunderte nach Polen verschleppt.
General Le Rond, der oberste Kommandeur der Abstimmungstruppen, ist 2 Tage vorher nach Paris gereist, um einem Eingreifen aus dem Wege zu gehen(…) Aus Polen kommende Panzerzüge haben alle Linien besetzt, jeglichen Eisenbahnverkehr unmöglich gemacht. Die alliierten Truppen zogen sich in die Städte zurück, überließen das breite Land völlig seinem Schicksal.
(…)(es geht hier um die Inflation) Nachdem sich die Mark längere Zeit beinah stabil erhielt, erwartet man in Bälde einen neuen Tiefsturz. Die Gebrauchsdinge kosten das zehnfache des Vorkriegspreises, die kleinen Vermögen sind bereits soviel wie verloren. Es hängt wohl mit der Tagung des Obersten Rates in London zusammen, denn wie soll ein Staat Millionen Devisen beschaffen, ohne seine Währung dabei zu zerrütten.
Inzwischen ist der Verfallstag vorbeigegangen, ohne dass Deutschland die restlichen Milliarden bezahlen konnte,(…), Briand aber forderte sofort militärische Sanktionen,(…), es schließt mit der Drohung einer sofortigen Ruhrbesetzung(…)
(…)Auf dem Annaberg standen die besten polnischen Truppen(…)Kurz vorher hatten die Franzosen (gegen den Vertrag) noch zwei polnische Bataillone durchgelassen. 200 Deutsche, die nichtsahnend in Alt-Cosel lagen, wurden von diesen 3000 umzingelt. Sie ließen die Mütter der Gefangenen stundenlang um Gnade bitten. Erklärten dann in täuschend nachgemachter französischer Manier, dass sie ihren Söhnen großmütig das Leben schenkten, da sie eben keine Boches seien. Dann führten sie 196 von ihnen auf die Seite, liessen diese im nächsten Augenblick sämtlich erschießen. Aber solche Dinge geschahen täglich. Einmal übergab sogar ein französischer Offizier hundert Mann den Polen, nachdem er sie vorher aufgefordert hatte, sich unter seinen Schutz zu stellen. Auch sie wurden bis auf den letzten Mann umgebracht(…)Aber trotzdem konnten wir die Polen besiegen und der Annaberg war in deutscher Hand(…)
(…)Wieviel sind allein dadurch in Deutschland gestorben, dass sie mit dem Stimmzettel für Deutschland eintraten – unter den Augen der Plebissit-Kommissionen, unter den Augen des Völkerbundes! Gewiss, soll man der deutschen Regierung nicht bösen Willen, sondern dem deutschen Vertrauen auf die Gerechtigkeit einer guten Sache zurechnen(…)hat man nicht über die Moral die Wirklichkeit vergessen und man fragt sich 1921, ob man das nach Versailles noch darf?
(…)Man hat den Spruch über Oberschlesien gefällt: Zwei Fünftel des Abstimmungsgebietes wurden Polen zugesprochen(…) Die Städte Kattowitz, Königshütte, Lublintz, Tornowitz, Rybnik und Pless liegen darin(…)
In ihm liegt beinahe die gesamte oberschlesische Hüttenindustrie(…) Und von den Menschen, von den deutschen Menschen, fällt abermals eine Million unter polnischer Herrschaft(…)
(…)Die Entwaffnung der Deutschen Armee ist inzwischen völlig durchgeführt,(…) Dennoch bleiben die Kontrollkommissionen bestehen, was die deutsche Mark natürlich weiter zerrüttet. Denn die Bezahlung der Besetzung muss in Gold erfolgen…
Zur gleichen Zeit laufen die Prozesse des Reichsgerichts gegen die Kriegsverbrecher, nach einem Paragraphen des Versailler Friedens zwangsweise durchgeführt.
(…)Die Konferenz des Obersten Rates zu Cannes 1922 ist schmählich geplatzt. Die Reparationsfrage wurde überhaupt nicht erwähnt, ihre Berührung hatte Frankreich von vornherein verboten(…) Briand gestürzt,(…) Die Rückkehr Poincarés in die Politik bedeutet eine entscheidende Wendung, und dem nochmaligen Versuch zur Zerstörung des Bloc germanique…
(…)Die Inflation schreitet mit jedem Monat weiter vor, das dauernde Steigen der Preise scheint unaufhaltsam. Seit Jahresanfang (1922) sind die Lebensmittel um das Doppelte gestiegen, die Gehälter jedoch nur um die knappe Hälfte(…) Ein Streik folgt dem andern, eine Protestversammlung der vorigen(…) Der mittlere Besitzstand ist schon völlig ruiniert…Die Mark hat noch den fünfundsiebzigsten Teil ihres ehemaligen Wertes, man rechnet schon mit hunderttausenden wie früher mit Zehnmarkstücken.
(…)In den ersten Vorfrühlingstagen, gerade als die Bestellung beginnen sollte, ist ein Landarbeiterstreik ausgebrochen,(…)ihr sinnloses Streiken Hunderttausende verhungern lässt(…)
(…)Ganz Deutschland hoffte auf die neue Zusammenkunft, die große Wirtschaftskonferenz zu Genua. (…)Schon vor ihrem Beginn kam ein neuer Befehl Poincares: Der gesamte Komplex der Reparationen ist tabu! (…)eine Vernunftlösung zerbrach zum zweitenmal an Frankreichs Mauer. Am Ende blieb nur ein einziger Erfolg, der durch Rathenau abgeschlossene Vertrag von Rapallo(…)in Wirklichkeit bezieht er sich neben wirtschaftlichen Abmachungen nur auf den Verzicht aller Ansprüche aus früherer Zeit (Sowjetunion). Darüber hinaus aber wurde mit ihm Deutschlands Stellung zwischen Osten und Westen dokumentiert – (…)
(…)Sämtliche Produkte (aus Ostpreußen) sind seit dem (polnischen) Korridor für den Westen Deutschlands, für das Gebiet der Hauptabnehmer, frachttechnisch vorbelastet wie die Produkte Amerikas. Wie aber soll eine Provinz (Ostpreußen) bestehen, wenn die Frachtkosten ihrer Produkte ins eigene Reich das gleiche betragen, wie die Verschickung der Produkte Amerikas über den Ozean nach Europa? Niemand weiß das. Keinem in diesem Lande hilft der Gedanke, dass der deutsche Mensch im Reiche weiß, welchen Kampf der ostpreußische Bauer jeden Tag aufs neue führt. Er weiß nur, dass er von niemanden verstanden wird, dass sein Land von Feinden umgeben ist(…)
(…)Es gibt jetzt wöchentlich eine Sonntagsrede Poincarés, die er laufend bei Denkmalseinweihungen hält. Sie behandeln immer das gleiche, sprechen von einem Zusammenbrechen unter den Wiederaufbaulasten, während Deutschland nicht einmal Anstalten mache, die von ihm anerkannten Schulden zu bezahlen(…) Im Reich lösen diese dauernden Hetzreden Verzweiflung aus, fühlt das deutsche Volk allmälich, dass alle Erfüllungspolitik an ihnen zuschanden wird? Aus dieser Stimmung ist auch nur die neueste Explosion erklärlich, die Ermordung Rathenaus…Die Folge ist eine neue Welle gegen alles Nationale,die sich diesmal beinahe in Form eines Bürgerkrieges äussert. Und wieder gibt es viele Tote,(…)
(…)Welch eine Verwirrung! Dabei ist alles so klar (es geht um die Kriegsschuld)(…)Möglichkeiten für unser Volk (deutsche), in friedlicher Arbeit die Nahrung zu erwerben, die unsere Heimat ihm
nicht mehr geben konnte! Und als unsere Bauern und Handwerker und Kaufleute hinauszogen, weil wir schon vor dem Kriege dreimal soviel Bodenfläche zur Ernährung brauchten, als wir hatten, in jedes Land unsere Menschen schicken mussten, um das auszugleichen – erhob sich überall ein Wehren gegen uns! Das war die Ursache des Krieges, ein ökonomischer Krieg war es(…) Er war nicht zu vermeiden, er musste einfach kommen – wie aber kann man jammern, wenn etwas unabänderlich ist? (…)solange es diese Gerechtigkeit nicht gibt,- dass es sie auch nach diesem Krieg nicht gibt, bewies Versailles uns allen aufs Neue,(…) Noch mehr sind wir in unsern kleinen Raum gezwängt, noch weniger gibt es jene Gerechtigkeit, die allein Kriege vermeiden könnte,(…) Und dass in diesem allem der neue Krieg schon blickend lauert, das ist es! (…)Und unser Volk nur aus dem Krieg, um in kurzem noch einmal gegen alle Welt zu kämpfen – und diesmal nicht mehr um Gleichberechtigung, sondern um sein nacktes Brot – was man ihm damals wenigstens nicht weigerte, ihm aber heute auch nicht mal mehr lassen will…
(…)Inzwischen schreitet die Inflation unaufhaltsam fort, fällt die Mark mit unheimlicher Regelmäßigkeit weiter. Die Besitzsteuern sind bereits so erhöht, dass sie nur aus der Substanz beglichen werden können – Man prägt das Wort „kalte Sozialisation dafür – (der Staat) muss aber die erlösten Summen ins Ausland schicken,(…)Dagegen sucht man wieder alle privaten Kapitalanlagen im Ausland zu erfassen(…) Eine Zwangsanleihe wurde aufgelegt, die Postgebühren sind schon verfünffacht, die Eisenbahnpreise verdreifacht, der Hunger zieht immer größere Kreise…
(…)Die (deutsche) Regierung hat erneut ein Sendungsgesuch eingereicht, nachdem sie nicht mal mehr die Cannes-Raten bezahlen kann. Aus den Poincaré-Zeitungen geht eindeutig hervor, dass man dies neue Eingeständnis der Ohnmacht begrüßt: Es ist allmählich so weit, wie wir es haben wollen! Steht zwischen ihren Zeilen(…) Das Deutsche Reich steht unter Geschäftsaufsicht, bald wird es in Konkursverwaltung sein…Als das Reich zum 15.August 1922 wiederum nicht zahlen konnte, beschlagnahmte Poincaré sämtliche deutschen Privatkonten auf elsass-lothringischen Banken. Tausend deutsche Reichsangehörige wurden aus Elsass-Lothringen ausgewiesen, ihr gesamtes unbewegliche Gut verfiel an Frankreich (man denke an die Vertreibung nach 1945 aus den Sudeten und Ostdeutschland – jenseits von Oder und Neisse – alles
schon mal dagewesen), zehntausend Papiermark wurden als Mitnahme
gestattet – vierzig deutsche Goldmark.
(…)Es hat wiederum eine Konferenz stattgefunden: die zweite Londoner des Obersten Rates der Alliierten. Ihr Zweck (…) die deutschen Stundungsgesuche, des weiteren um die Mittel zur Zahlungserzwingung. Poincaré warf sein Pfändungsprogramm auf den Tisch: Kontrolle der Bergwerke in Deutschland, Erhebung einer Sondersteuer auf die Ruhrkohle, Einbezug des Ruhrgebietes in die französische Zollgrenze!
(…)Die Mark ist nach kurzer Pause aufs neue gestürzt. Wenn man den Lohn einen Monat zusammenspart, bekommt man so gut wie nichts mehr dafür… Inzwischen hat man auch das Bankgeheimnis aufgehoben, so dass die Kapitalien in noch größerem Strom ins Ausland fliessen. Als neueste Maßnahme wurde der Reichszuschuss zur Lebensmittel-Billigung der Ärmsten gestrichen, auch eine Folge der französischen Forderung…Viele Tausende sind dadurch dem Verhungern ausgeliefert, die Meldungen von Lebensmittelladen-Plünderungen in allen Städten sind die Antwort.
(…)Immer wieder höre ich über den Bürger schimpfen, aber die Leute meinen im Grunde nicht den Bürger, sondern den Bourgeois. Jenen verächtlichen Typ, der sich durch Geld von allen loskaufen möchte – sich selbst vom Anstand… Dem die Demokratie den einzigen Zweck der Freiheit hat, diese aber wiederum den Zweck der Geldanhäufung. Ihre Modernität heißt schrankenlose Sexualität, ihre Bildung heißt Psychoanalyse…
(…)Inzwischen haben die überscharfen Militärkontrollen schon mehrfach zu Zusammenstößen geführt. In Ingoldstadt und Passau rotteten sich die hungernden Menschen zu verzweifelten Haufen, durch das provozierende Auftreten der französischen Offiziere in Lack und Seide aufgebracht. Ein paar Mitglieder der Kommission wurden durch Steinwürfe verletzt, die Folge war die Auferlegung von einer Million Goldmark als Sühnekontribution. Als Deutschland sich weigerte, drohte Poincaré mit der Beschlagnahme des Geldes im besetzten Gebiet. Was bleibt übrig? Es wird bezahlt…
(…)aus einem Brief aus Westpreußen (nach dem I.Weltkrieg zu Polen, der sogenannte Korridor): Es habe ein systematischer Entdeutschungsfeldzug eingesetzt, zudem seien alle Deutschen dort Staatsbürger zweiter Klasse. Die deutschen Zeitungen würden alle Augenblick mit schwersten Strafen belegt, die deutschgesinnten Schriftleiter zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Tausende der seit 100 und 500 Jahren dort ansässigen Bauern seien von Haus und Hof gejagt, statt jeder Entschädigung lege der Staat ihnen noch eine Gegenrechnung an Zinsen und Steuern vor… In Deutschland gründe man eine Minderheitsschule (für Polen) nach der anderen, in Polen werde dafür jeder Arbeiter entlassen, der seine Kinder in die letzten deutschen Schulen schickt. Jedes deutsche Kind, dessen Familienname polnisch klingt (Sawitzky, Gschonsky), müsse zwangs-
weise eine polnische Schule besuchen, so dass in wenigen Jahren keins mehr seine Sprache mehr sprechen könne. So gäbe es in der 700 Jahre deutschen Stadt Bromberg schon heute (1922) kaum mehr 10 % Deutsche…
(…)Wirths unglücklicher Ausspruch „der Feind steht rechts“, fiel wie Gift ins Volk, im Reiche aber der Begriff „national“ allmählich zu einem Schimpswort werde.
Die Mark steht so bodenlose tief, dass Zahlungen von uns kaum noch Goldmark ausmachen, man ist am Ende…Oder kann man diese Politik (Erfüllungspolitik) angesichts eines Volkes noch vertreten, das inzwischen bis zum Arbeiter erkannte, dass Frankreich selbst bei völliger Erfüllung kein Nachgeben geübt hätte? Denn Versailles lässt ihm trotz aller Konferenzen noch die Macht, die Forderungen
aus ihm einfach so hoch zu bemessen, dass Deutschland sie trotz besten Willen nicht befriedigen können! (…)Das Kabinett Cuno bot Frankreich über Amerika einen Sicherheitspakt an, der alle am Rhein interessierten Staaten verpflichten sollte, binnen 30 Jahren keinen Krieg miteinander zu führen. Hat Poincaré damit nicht, was er immer vorschob? Sicherheit? Garantie des Eroberten? Unverletzbarkeit der neuen Grenzen?… Er pariert diesen Schritt beinahe schamlos dadurch, dass er die Einbeziehung Polens in diesen Pakt fordert! Seit wann hat Polen ein Interesse am Rhein? Nein, er weiß genau, dass keine deutsche Regierung einen solchen Plan abschließen darf, weil sie damit auch neue Ostgrenzen anerkennen würde. Was er erwartet, trat auch ein. Zum ersten mal erklärt eine deutsche Regierung: Nie, nie…
(…)Die Schande fiel auf uns: Sie heißt Versailles, heißt jener öffentliche Hohn, mit dem die Welt der Gerechtigkeit ins Gesicht schlug, als man beschworene Versprechen mit tausend Heucheleien brach! Sie heißt Ostpreußen und Korridor und Oberschlesien, sie heißt Schuldparagraph und Kriegsentschädigung und Schwarzenschmach.
(…)Am sechsten Tag des neuen Jahres (1923) kam die Meldung, dass Frankreich die Besetzung des Ruhrgebietes vorbereitete… Poincaré hat die Tatsache einer zu geringen Telegraphenstangenlieferung dahin ausgedeutet, dass sich aus ihr eine vorsätzliche Verfehlung des Versailler Vertrages ergibt… Zur Sicherung dieser Ingenieurkommission (diese sollte einwandfrei die Kapazität des Ruhrgebietes feststellen, so Poincaré) marschierten am 11.1.1923 vierzigtausend französische Soldaten in das Ruhrgebiet. Sie marschierten in Formationen, wie man in feindlichen Land marschiert… Als die deutsche Regierung die ungeheuerliche Tatsache der kriegsmäßigen Besetzung klar wird, übermittelt sie an alle Regierungen von Versailles die Erklärung, dass Deutschland nach dieser offensichtlichen Verletzung des Vertrages solange weder Zahlungen noch Sachlieferungen leistet, bis dieser Zustand des Rechtsbruch anhält. Was wird werden? Soll der General Castelnau recht bekommen, der öffentlich erklärte: Wir haben Deutschland politisch entmannt, wir haben es als zweites militärisch entmannt – wir werden es als drittes wirtschaftlich entmannen?
(…)Berichte über den Ruhrkampf: Tausende deutsche Beamte sind ausgewiesen, ihre Wohnungen von den Franzosen beschlagnahmt… ie dürfen nicht einmal das Notwendigste mitnehmen, ein Unteroffizier mit ein paar Negern erscheint: Hinaus mit Ihnen!
Ganz Deutschland billigt die Regierungsentschließungen, auch die Arbeiterzeitungen stimmen ihnen zu. Der Ruhrarbeiter weigert sich protestierend, unter den Bajonetten von Negern zu arbeiten. Die Kaufleute verkaufen an Franzosen nicht, die Straßenbahnen befördern sie nicht. Alles hält entsagungsvoll zusammen… Die Franzosen werden immer nervöser, einmal treiben 25 Offiziere die Gäste eines Restaurants mit Peitschenhieben hinaus, abends wiederholt sich das gleiche im Theater. Die Belgier erschießen einen Fahrgast in der Straßenbahn, am nächsten Tage fällt ein Schupowachtmeister. Man lässt den Telegraphenmastvorwand allmählich fallen, die
„Action francaise“ schrieb kürzlich sogar mit zynischer Offenheit: „Die ganze Geschichte kommt nur daher, weil Deutschland immer noch eine Einheit ist. Ist die Auflösung des Reiches im Guten nicht zu erreichen, werden wir sie jetzt eben mit Gewalt durchführen!“
(…)Galt der Dollar vor der Besetzung (des Ruhrgebietes) noch 10.000 Mark, gilt er wenige Tage danach schon 20.000 Mark… Portokassenlehrlinge schießen gleichsam über Nacht zu Bankdirektoren auf, überall werden mit verschwenderischen Luxus neue Banken eröffnet… Es ist ja auch so einfach geworden, dies verzwickte Börsenspekulieren, nach spätestens drei Tagen verdoppelt sich der Kurs. Und alles fühlt sich tatsächlich als Millionär, denkt unbegreiflicherweise nicht einen Augenblick daran, dass diese Millionen nicht einmal drei Friedensmark wert sind.
(…)Bis jetzt haben die Franzosen noch keine 20 Waggons Kohle herausbringen können, Poincarés produktive Pfänder unproduktiv zu machen ist also gelungen, Sie suchen sich dadurch schadlos zu erhalten, dass sie sämtliche Gelder beschlagnahmen, selbst Passanten auf der Straße anhalten, ihnen alle Barvermögen abnehmen… Der Karsamstag brachte ein Ereignis, das wie ein Sturm über Deutschland ging, ein französischer Offizier mit elf Mann besetzt die Kruppwerke, worauf sämtliche Arbeiter sich zum Protest im Fabrikhof versammelten. Der Leutnant ließ darauf Feuer geben, 13 Arbeiter brachen tot zusammen…
(…)Täglich stellt man neue Inflationserscheinungen fest: Eine Ware geht ein Dutzend Mal von Mann zu Mann, ohne dass einer vom ihnen sie überhaupt sah. Für hundert Dollar kann man schon ein Haus kaufen, für tausend ein herrschaftliches Schloss mit Park… Die Ausländer brechen mit jedem Monat stärker ins Land. Fast keiner (der Deutschen) kann sich mehr einen Anzug leisten, diese Menschen (die Ausländer) haben niemals billigere gekauft…das arme Deutschland wird zum gepriesenen Paradies der Ausländer.
(…)Einer der letztgehörten Schlager scheint mir in seinem Sentimentalität, in seinem wilden Lebenswillen für diese Zeit symbolisch: „Man lebt ja nur so kurze Zeit und ist so lange tot“…
Der Dollar steht auf 20.000 Mark.
(…)Ende März (1923) hat man im Ruhrgebiet einen Leutnant Schlageter gefangen, der als Spitze einer Sabotageabteilung zahlreiche Sprengungen ausführte…Anfang Mai hat man seine Leute zu vielen Jahren Kerker, ihn selbst aber zum Tode durch Erschießen verurteilt und dann auf der Golzheimer Heide erschossen, (…) Die deutsche Empörung ist noch größer als bei der Ermordung der Kruppschen Arbeiter…
Dennoch werden allmählich Ermüdungserscheinungen sichtbar: kommen sie von dem dauernden Sturz der Mark oder der grenzenlosen Brutalität der Besatzung, die jetzt fast täglich auf offener Straße jemand niederschießt? Als man kürzlich einen französischen Soldaten tot auffand, schossen die Soldaten einfach jeden nieder, der ihnen auf der Straße als Passant begegnete; später stellte sich dann heraus, dass ihn ein eigener Kamerad erschossen hatte. Statt die Sache richtig zustellen, schrieben die französischen Zeitungen nach wie vor das Alte: Die Republik am Rhein ist das einzige Mittel, das Werk Bismarcks für immer zu zerstören.
(…)Die Inflation gleicht einem Wagen, der einen steilen Berg hinabrast, sie nimmt immer mehr tollere Formen an. Täglich hört man von riesigen Bahndiebstählen,(…) Auf dem Lande werden systematisch Lebensmittel geraubt, wird ein Dorf nach dem anderen von Banden abgesucht… Fast jede Woche gibt es jetzt neue Banknoten, da aber die Reichsdruckerei nicht nachkommt, sieht
man häufig alte Scheine, die nur einen Aufdruck haben… Beinahe jede Stadt beginnt, eigenes Notgeld herauszugeben… In grotesken Verhältnis stehen zeitweise die Preise der staatlichen Einrichtungen zu denen der Lebenshaltung, so kostet jetzt gerade die Fahrt mit der Eisenbahn (von Berlin) zum Bodensee ebensoviel, wie man uns für ein Pfund Butter gibt… Die Sachwertgier aber überwiegt bei weitem, ihr neuster Begriff Raffke. Diese Name ist das Symbol der Inflation, wie der Schieber das Symbol des Krieges war… Der Dollar steht auf 1.000.000.
(…)Welche Vorstellungen manche Linksjournalisten vom Großgrundbesitz haben, ist geradezu erschütternd! Keiner weiß anscheinend, dass ein Gut bei einer gewissen Größe wieder in Vorwerke (Groß Nuhr, Klein Nuhr) aufgeteilt ist, da die Bewirtschaftungsmöglichkeit bei einer gewissen Morgengröße ihre Grenze findet!…
(…)Die Nachrichten aus dem Ruhrgebiet mehren sich, dass der passive Widerstand zu Ende geht… Der stille Widerstand der Bevölkerung zerbröckelt, die Sabotageakte der Verschworenen aber mehren sich. Alle Augenblicke geht eine Brücke in die Luft, jeden Tag entgleist ein Kohlenzug…
(…)Die Effektenspekulation zieht immer größere Kreise, der moralische Niederbruch ist unbeschreiblich. Jeden Tag kommen bei den Postämtern Unterschlagungen vor, bei der Eisenbahn Verschiebungen von ganzen Waggons. Es gibt nur noch Reichtum oder Armut, die Spekulanten baden in Sekt, die Armen gehen betteln. Zu diesen Armen zählen schon alle Festangestellten, mögen sie auch die höchsten Regierungsbeamten sein… Ein Liter Milch kostete im Juli noch 6.000 Mark, im Monat August forderte man schon 86.000, heute Anfang September gilt er 240.000 Mark.
(…)Das Aussehen der Frau hat sich völlig gewandelt – sie trägt jetzt kurzgeschnittenes Haar,(…), geht ganz auf Knabe. Mit ihr entstand der Gigolo, auch Eintänzer genannt, der neue Beruf ehemaliger Offiziere…
(…)Die englische Regierung erklärte in aller Öffentlichkeit, dass ihre Kronjuristen die Besetzung des Ruhrgebietes) als Vertragsbruch feststellten. Sie wies auf eine Entfremdung zwischen den Ländern hin… Die innerdeutsche Lage verschärft sich dadurch maßlos, dass sich in Sachsen und Thüringen die Radikalen rühren, in Bayern dagegen die Reaktion (Hitler und Genossen) rüstet. (…)Poincaré aber läßt sich immer noch zu keiner Antwort herbei – er will erst noch im allgemeinen
Chaos den Seperatismus durchführen!… Die ungeheuren Spannungen im Reiche, wo die Reichswehr an vielen Stellen Ordnung schaffen muss, lassen die französischen Zeitungen bereits jubeln…
(…)Der Zahlenwirbel ist irrsinnig geworden…Die Gehälter werden jetzt täglich ausgezahlt….Die Preise verdoppeln sich jetzt täglich, manchmal schon sogar zweimal am Tage….Währenddessen macht der Mittelstand Straßenstände auf, wo er seine letzten Wertsachen verkauft… Ausländische Kommissionen kommen ins Land, um die Wirkungen dieser Zeit bei den Kindern zu prüfen. Zehntausende halbverhungerter Kinder werden nach Schweden und Österreich geschafft, die Heilsarmee rettet hunderttausende vorm Verhungern, die amerikanischen Quäker gaben den
Schulkindern in den Pausen Brötchen…Kaum hatten die Kinder sich von der Blockade des Krieges erholt, kamen die gleichen Zeiten als Inflation zurück!… Der Liter Milch kostet jetzt 7.000.000 Mark… Die Kaffees bieten den Anblick von Tollhäusern, in denen siebzehnjährige Jünglinge den Ton angeben. In ungeheuerlichen Maß hat sich der Genss von Rauschmitteln verbreitet,(…) Das Geld muss im Augenblick des Erhalts verschleudert sein, schon in einer Stunde kann es keinen Wert mehr haben… Der Dollar steht auf hundertdreißig Milliarden: 130.000.000.000.
(…)Nehmen Sie nur mal an, es macht irgendein Angehöriger eines dritten Volkes eine Große Erfindung, verkauft sie einfach dem meistbietenden der kriegsführenden Staaten? Dann siegt mit ihr das Volk, das er am meisten Geld hat, beherrscht schließlich das Volk die Welt, das die dicksten
Geldsäcke im Tresor, aber nicht die größte Tüchtigkeit hat!
(…)Der Ruhrkampf ist beendet. (…)Nur in der Pfalz stehen sie (die Separatisten), in diesem Schoßkind Frankreichs. In ihr verursacht Poincaré sie noch um jeden Preis zu halten – (…)Inzwischen wird es im Reich mit jedem Tage finsterer, scheinen die letzten Tage unserer Einheit gekommen. Die Hauptstädte Sachsens stehen in offenem Aufruhr, ein Major Buchrucker erobert mit 1000 Mann Küstrin… Dafür kommt es in Bayern fast zu einer Katastrophe, die den Bürgerkrieg in greifbare Nähe rückt, Hitler.
(…)Es ist ein Wunder geschehen: Vor kurzem erschien wertbeständiges Geld! Es hieß Schatzanweisungen des Deutschen Reiches, aber es war sofort mit Überpreisen gehamstert. Wenige Tage später erschien jedoch nochmals ein neues Geld, es nannte sich dieses Mal schlicht Rentenmark, nach ihm galt ein Dollar wie in Frieden nur 4,20 Mark! Es hatte doch am Tage vorher noch auf 4.200.000.000.000 Billionen gezählt… Allmählich erst begreift man, was dadurch geschehen ist: Karl Helfferich, Hjalmer Schacht haben sie geschaffen, das Vertrauen zur deutschen Wirtschaft hat sie ermöglicht, die hypothekarische Belastung des Besitzes hat sie gesichert…
(…)(Gedanken zur Jahreswende 1923/24) ja, niemals war ein Volk in fürchterlicherer Lage! Anschluss an Osten (UdSSR) unser Untergang, weil Frankreich Deutschland teilen oder zum Kampfgebiet machen würde, Anschluss an den Westen unser Siechtum, weil wir ihn nur um den Preis der Knechtschaft erhalten würden!… Ach, wenn die Welt doch glauben wollte : Eines Tages wird das deutsche Volk in seiner Not dem in die Arme stürzen, der ihm Gerechtigkeit und Freiheit von Versailles verspricht!
(Das Jahr 1924) Die Reichstagswahlen brachten den Kommunisten ungeheuren Zuwachs und in Frankreich bei den Wahlen wurde Poincaré und sein Bloc nationale gestürzt…
Und Sie Völkerbundsprophet, Sie werden niemals sehen, was Ihr Völkerbund für einen Schwindel darstellt: Oberschlesien! Schwarze Schmach! Ruhrkinderhunger! Allgemeine Abrüstung! Zehn Millionen Deutsche ohne Selbstbestimmung! Das sind alles Sachen, für die ein Völkerbund da
ist(…) Aber er hat in Wirklichkeit ganz andere Zwecke – die Eroberungen des Siegerverbandes sicherzustellen(… )Ich will Ihnen nur eines sagen,(…): Von unserem Baltikum! Alle hat man uns fortgejagt, von unsern jahrhundertalten Besitzen, ohne jede Entschädigung – ist das Gerechtigkeit?
Wo bleibt der Völkerbund, der Schützer des Selbstbestimmungsrechtes? (…)Und der Grund: Man wollte das deutsche Element dort vernichten… Ja, dieser Völkerbund lässt alle Ungerechtigkeiten zu, wenn seine Hauptmitglieder Vorteile davon tragen. Überall auf der Welt rottet man das Auslandsdeutschtum aus – trotz allem Völkerbund(…) Hunderttausende jagt man noch jetzt von ihren Besitzungen (polnischer Korridor, Posen, Westpreußen, Oberschlesien), gestattet ihren Kindern nicht einmal deutsche Schulen… In Tirol, in Siebenbürgen, im Baltikum – heiß das Selbstbestimmung?…
Wie kann ein Krieg der letzte sein, wenn der durch ihn geschaffene Frieden einer ganzen Völkerreihe nichts übrig lässt, als die unsägliche Unterdrückung durch einen neuen Krieg abzuwerfen? Vergessen Sie nicht, dass unsere späteren Generationen nicht mehr gutwillig zahlen werden, denn sie werden ja nicht einmal den Grund der Zahlungen mehr wissen. – Versailles! – Haben Sie denn völlig vergessen, wie dieser Vertrag zustande kam, hörten Sie nie von Brooksdorffs Dokumenten? Wir haben gegen den Schuldparagraphen von Anfang an protestiert, er ist die Grundlage des ganzen Versailles! Man hat uns für eine Annahmeverweigerung gedroht, den Krieg bis zu unserer Vernichtung fortzuführen – heißt das eine rechtskräftige Unterschrift, nach dem Versprechen eines Friedens ohne Strafe und Gewalt?
Der Dawesplan wurde im Reichstag mit heftigen Kämpfen vor seiner Ratifizierung ausgetragen. Die berechtigten Einwändungen, dass sich Deutschland damit seiner Souveränität begebe, die Herrschaft der internationalen Hochfinanz über sich anerkenne, konnten sich wegen der zwingenden Finanznot nicht durchsetzen. Man nahm ihn wieder einmal an,(…) So tritt das Londoner Abkommen am 1.9.1924 in Kraft. (…)diese ganze Verständigungsepoche ist ein Luftschloss, das eines Tages fürchterlich zusammenstürzt! Bevor man nicht Versailles von Grund auf revidiert, zum ursprünglichen Wilson-Frieden zurückkehrt.